Was Jürnjakob Swehn dazu sagt
Wat Jürnjakob Swehn dor tau secht
Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer - Aphorismen, Sprüche und Zitate

Wat Jürnjakob tau den Menschen sien Mitteilungsdrang secht

»Das hat der Mensch gern, wenn er mal ein vernünftiges Wort mit sich selber reden kann.«
 

ngewiss ist, ob der Mitteilungsdrang des Menschen zu seiner edlen Vorder- oder zu seiner unschönen Kehrseite gehört. Das kommt wohl auf Inhalt und Umstände dessen an, was Menschen so zu ihresgleichen sagen, und darauf, wer etwas zu seinesgleichen sagt.

Am liebsten erzählen die alten Frauen, secht Jürnjakob. Wenn so ein paar von ihnen zusammenkauern und eine erzählt, dann knabbert die andere schon immer mit dem Munde. Sie kann die Zeit nicht abwarten, bis die Reihe an sie kommt.

Glaisin, Backhaus hinter dem alten ForsthofWas der Pastor dagegen verkündet, dessen bedarf der Mensch. Davon ist Jürnjakob als ordentlicher Christenmensch fest überzeugt. Vor allem muss ein Pastor zur rechten Zeit auch einmal eine Strafpredigt loslassen, in der er seine sündigen Mitchristen von der Kanzel herab züchtigt, as Jürnjakob dor tau secht. Wem das nicht liegt, wie dem aufgeregten Buxtehuder Laienprediger, dem seine geistliche Vermahnung so völlig durcheinandergeraten war, für den kann das Preistern zur Qual werden. Lieber in trockenen Jahren Sägespäne essen als vor dem Altar stehen und nicht priestern können, secht Jürnjakob.

Das rechte Wort zur rechten Zeit findet auch Jürnjakobs Gattin Wieschen immer. Wenn die ihre große Reinmacherei hat und er darüber nörgelig wird, dann sagt sie bloß, er solle sich man ganz ruhig eine Arche bauen und abgondeln. Das reicht. Dann weiß er Bescheid. Mehr sagt sie nicht, denn Wieschen spricht wenig, secht Jürnjakob. Sie sagt: Es ist genug, wenn einer in der Familie redet. Nein, secht hei, ihre Zunge ist nicht wie das Schwert Jakobs, das gerne aus- und einging.

Es war für Jürnjakob deshalb nicht immer leicht, jemand zu finden, mit dem er sich vernünftig unterhalten konnte, zumal gerade im Einwanderungsland Amerika viele Sprachen gesprochen wurden; denn, so secht hei angesichts der babylonischen Zungenvielfalt, das menschliche Maul ist eine Landstraße, die viel begegangen wird. Daher musste er so oft sinnieren und vielleicht auch Selbstgespräche führen, weil der Mensch das gern hat, wenn er mal ein vernünftiges Wort mit sich selber reden kann. Mit den andern geht das meistens nicht, sich vernünftig zu unterhalten. Bei denen ist das nämlich oft so wie zuletzt bei dem Franzosendoktor, kurz bevor es mit ihm zu Ende ging. Was der redete, secht Jürnjakob, da war Sinn drin, wenn auch Unsinn; und der Unsinn nahm überhand, wie das bei Menschen eben so ist und ihrem Mitteilungsdrang.

Wenn Menschen ihresgleichen etwas mitzuteilen haben, reicht das gesprochene Wort allein manchmal aber nicht aus, weil sich nicht alle Leute gutem Zureden aufgeschlossen zeigen. Dann müssen sie verkonfirmiert werden, as Jürnjakob dor tau secht.

So war das zum Beispiel bei seinem Nachbarn Smith. Der saß immer in dem Town im Saloon mang seine Whiskybrüder und wollte beim besten Willen und trotz freundlichster Vermahnungen das Saufen nicht nachlassen, sehr zum Leidwesen seiner Frau. Dem hat Jürnjakob den ständigen Gebrauch der Whiskybuddel ausgeredet, indem er ihn auf der Rückfahrt vom Saloon zur Farm draußen in der Wildnis mit dem eichenen Peitschenstiel verkonfirmiert hat. Das war nämlich in Alt-Mecklenburg genau wie im zaristischen Russland so Sitte, die Leute mit der Peitsche zum Anstand zu bekehren. Mit dieser Verkonfirmationspsychologie hat Jürnjakob - wen wundert's - bei seinem Nachbarn Smith einen dauerhaften Erfolg erzielt.

Wenn es um die geistliche Bekehrung geht, haben sich die Peitsche und ihre angsteinflößenden Geschwister zwar zu allen Zeiten und überall als das wirksamste Mittel der Überzeugung erwiesen, doch manche Weltverbesserer versuchen es auch ohne Bangemachen - mit sehr geringem Erfolg, natürlich.

Das hat Jürnjakob auf der Weltausstellung in Chikago erlebt, da, wo er Krischan Hasenpot getroffen hat, der da achter Grabow her ist und nicht recht seinen Klug hat, weil er so'n bisschen einsam in seinem Kopf ist, as Jürnjakob dor tau secht. Dort auf der Weltausstellung wollte die Heilsarmee die Besucher ganz ohne Gewalt bekehren - mit aller Gewalt, as Jürnjakob secht. Statt aber die Peitsche auf die hochmütigen Sünder herabsausen zu lassen, theaterten sie da nur rum, secht hei. Sie weinten und seufzten, sangen, trampelten mit den Füßen, schlugen sich mit den Händen gegen die Brust und verdrehten die Augen. Das war deren Methode, ihren Mitteilungsdrang abzureagieren. Genützt hat das ja nichts. Dazu haben die Leute von der Heilsarmee ihren Zuschauern nicht genug Angst eintheatert.



Foto: Glaisin, Backhaus hinter dem alten Forsthof



  Jürnjakob hett ok E-Mail!